Das transkulturelle Bridges-Kammerorchester von Bridges – Musik verbindet gGmbH
Bridges bringt Musiker:innen mit und ohne Migrations- und Fluchthintergrund zusammen, um gemeinsam in der Öffentlichkeit zu musizieren. Mehr als 130 Musikbegeisterte aus 25 Ländern haben bereits verschiedene Ensembles gebildet und mehr als 230 Auftritte gehabt. Das ausgezeichnete Bridges-Kammerorchester soll zu einer festen Einrichtung aufgebaut werden. Es besteht zu je einem Drittel aus Einheimischen, Migrant:innen und Geflüchteten mit einem gemeinsamen Ziel: Sie wollen das deutsche Orchester werden, das Deutschland in seiner Vielfalt und in seinem kulturellen Reichtum widerspiegelt.
„Das Bridges-Kammerorchester als “demokratisches Orchester” mit herausragenden Musiker:innen wirkt nahezu wie ein Symbolbild dafür, wie gesellschaftliches Zusammenleben auch möglich wäre und birgt damit großes Potential als Vorbildfunktion: Aus Unterschiedlichkeiten entsteht im Orchester ein gemeinsamer Klang, ein gemeinsames Erleben der Schönheit von Musik. Das wünschte man sich für eine gelingende Gesellschaft“, sagt die Jury.
Reportage über Bridges – Musik verbindet.
Das Bridges-Kammerorchester bringt Musiker:innen mit und ohne Migrations- und Fluchthintergrund zusammen, um gemeinsam zu musizieren.
Fear No Danger heißt das Auftaktkonzert des Bridges-Kammerorchesters mit Dirigentin Eva Pons, welches heute Abend im Haus der Kulturen in Mainz Premiere feiert. Unter dem Titel Fear No Danger spielt das Orchester Werke, aus denen deutlich wird, dass Musik eine Migrantin ist, die sich in allen Epochen über ihren eigenen geografischen Kreis hinaus verbreitete und sich dadurch weiterentwickelte, dass sie Einflüsse aus anderen Musikformen furchtlos und kunstvoll aufgriff.
Bereits vor Konzertbeginn herrscht reges Treiben in dem kleinen Konzertsaal. 22 Musiker und Musikerinnen verschiedenster Herkunft wuseln aufgeregt auf der Bühne umher, zupfen hier und da an ihren Instrumenten, notieren sich Noten. Stühle werden in Position gerückt, Scheinwerfer aufgebaut. Man unterhält sich auf deutsch, persisch, englisch, arabisch… Die Atmosphäre ist bunt, fröhlich und gespannt. Hier haben sich Menschen gefunden, die Lust und Freude daran haben, Musik miteinander zu machen. Und heute stehen sie zum ersten Mal gemeinsam als Bridges-Kammerorchester auf der Bühne, um in dieser Formation mit Fear No Danger Premiere zu feiern.
130 Künstler aus 25 Ländern
Unter ihnen Johanna-Leonore Dahlhoff und Anke Karen Meyer. Sie sind die Geschäftsführerinnen der Bridges – Musik verbindet Initiative. Seit 2016 bringt Bridges Musiker und Musikerinnen mit und ohne Migrations- und Fluchthintergrund zusammen, um gemeinsam in der Öffentlichkeit zu musizieren. Gestartet sind sie damals mit ca. 60 Musiker:innen, heute sind es über 130 musizierende Künstler aus 25 Ländern, die sich in ein großes Orchester, viele kleine Ensembles und seit neuestem auch in ein Kammerorchester aufteilen.
Johanna-Leonore Dahlhoff, sie selber spielt die Flöte am heutigen Abend, ist die künstlerische Leiterin von Bridges – Musik verbindet: „Bridges war von Anfang an ein Projekt, das geflüchtete Profimusiker ansprechen wollte. Niedrigschwellige Musikprojekte gibt es viele, wir wollten von Anfang an Professionalität.“ Das ist ihnen auch gelungen. Rund 230 Auftritte, von der Alten Oper in Frankfurt bis hin zur Bundesregierung in Berlin und Musikfestivals in Italien und Usbekistan, können die Bridges Musiker mittlerweile aufweisen. Sie sind ehrgeizig, motiviert und engagiert. Alle ziehen hier an einem Strang, denn sie haben ein gemeinsames Ziel: Sie wollen DAS deutsche Orchester werden, das Deutschland in seiner Vielfalt und seinem kulturellen Reichtum wiederspiegelt.
Shudraga Kanun Violine
Schon beim Anblick des kleinen Programmheftes wird einem die kulturelle Vielfalt des Orchesters bewusst. Da spielt Walid Khatba auf der Violine, neben Enkhtuya Jambaldorj auf der Shudraga und Eleanna Pitsikaki auf der Kanun. Wie ist es möglich, dass sich arabische, persische, mongolische und westliche Instrumente so miteinander mischen lassen? „Das ist ja die große Herausforderung“, schwärmt Johanna-Leonore Dahlhoff, „natürlich verstehen wir uns nicht auf Anhieb über die Musik. Ein Europäer kann z.B. die persische Musik gar nicht verstehen, da in Europa meist nur die Töne verwendet werden, die in schwarzen und weißen Tasten auf dem Klavier zu finden sind. In der persischen Musik gibt es aber noch Töne, die genau dazwischen liegen, die bei uns als falsch gelten. Hier heißt es für uns eine Brücke zu bauen. Um diese aber überhaupt bauen zu können, müssen beide Seiten erst einmal bereit sein, loszulaufen.“
Natürlich anders sein
Loslaufen, aufeinanderzugehen, natürlich anders sein, dazugehören, egal welche Sprache Du sprichst, welcher Herkunft, welchen Aussehens, das alles funktioniert bei Bridges – Musik verbindet, denn sie haben ihre Brücke gebaut, welche sie untereinander zu mehr Verständnis und Erkenntnis geführt hat.
„Über die Musik wird Integration bei uns über mehrere Ebenen vorangetrieben“, sagt Anke Karen Meyer, Kulturmanagerin Bridges. „Auf dem Arbeitsmarkt, zwischen den Musikern auf der Bühne, in pädagogischen Formaten in Schulen, Workshops etc. Wir haben es zum Beispiel geschafft, einen unserer Musiker bei der Vorbereitung für die Aufnahmeprüfung an der Popakademie in Mannheim zu unterstützen. Er kann dort jetzt studieren. Einem iranischen Musiker haben wir einen Ausbildungsplatz vermittelt und einer anderen Familie haben wir eine Wohnung beschaffen können.“
Neues entsteht
„Dinge entwickeln sich nur weiter, wenn ein Einfluss von woanders herkommt“, erklärt Johanna-Leonore Dahlhoff. „Das kann man ganz klar in der Musik erkennen. Als die Sklaven nach Amerika geschifft wurden, sangen sie dort ihre Lieder und es entstand der Blues und Jazz. In Spanien vermischte sich die arabische Musik mit der Kultur dort, daraus entstand der Flamenco. Durch das Andere von draußen entsteht immer etwas Neues und das ist das Spannende. Nicht dennoch funktioniert es, sondern weil wir unterschiedlich sind.“
Der Bridges-Sound – bunt, vielfältig, divers.