Lamya Kaddor ist islamische Religionspädagogin, Islamwissenschaftlerin und Publizistin und Mitbegründerin des Liberal-Islamischen Bundes e. V. Sie bildete an der Universität Münster islamische Religionslehrer:innen aus und ist Mitherausgeberin der ersten Schulbuchreihe für den islamischen Religionsunterricht. Zudem initiierte sie die erste Koran-Übersetzung für Kinder. Sie leitete mehrere Präventionsprogramme für Jugendliche (gegen Islamismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit), u. a. in einem Projekt an der Universität Duisburg-Essen. Seit 2003 unterrichtet Lamya Kaddor Islamische Religion an weiterführenden Schulen in Duisburg. Sie schreibt viel beachtete Kolumnen, erhielt mehrfach Preise für ihre Arbeit und wurde als eine der einflussreichsten Musliminnen Europas ausgezeichnet. Seit 2021 ist sie Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Duisburg-Süd. Kaddor ist Innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

21. September 2020

Interview mit Jurymitglied Lamya Kaddor

Corona, Erderwärmung, Flüchtlinge, Ausgrenzung, Kriege. Haben Sie angesichts dieser globalen Herausforderungen noch Hoffnung für unsere Gesellschaft? Woher schöpfen Sie Mut?

Tatsächlich habe ich Hoffnung für diese Welt! Auch wenn wir gerade – und besonders durch die Corona-Pandemie – mit sehr unterschiedlichen Wahrnehmungen und Perspektiven konfrontiert sind, die unser Leben kompliziert scheinen lassen. Manchmal frage ich mich schon „Was ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhalten kann?“ Seitens der Politik können wir da nicht allzu viel erwarten. Ich bin der Meinung, dass nur Kunst und Kultur in der Lage sind, Grenzen – auch Grenzen im Denken – zu überwinden. Die Einreichungen für The Power of the Arts zeigen uns das immer wieder und daraus schöpfe ich tatsächlich Hoffnung und Mut.

Geflüchtete und Menschen mit Migrationsgeschichte erfolgreich in unsere Gesellschaft zu integrieren ist jetzt und in Zukunft sicher entscheidend für uns. Unter welchen Bedingungen kann das Ihrer Meinung nach gelingen?

Integration funktioniert in einer Gesellschaft, die sich nicht in einer extremen oder einer Ausnahmesituation befindet. In einer Gesellschaft, die nach Orientierung sucht und ein Teil der Bevölkerung jenen hinterherläuft, die vermeintlich Orientierung bieten, ist es schwer, den Menschen ein zukunftsfähiges, stabiles Angebot zu machen. Eine unserer größten Herausforderungen ist es, in diesen unsicheren Zeiten zu einer verlässlichen Haltung zu finden und Stärke und Kontinuität anzubieten.

Die Herausforderungen kommen ja in immer kürzeren Abständen: Klimakrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise und jetzt Corona. Auch angesichts dieser globalen Herausforderungen müssen wir es schaffen, friedlich miteinander zu leben. Bildung, Kunst und Kultur sind dafür essentiell und müssen deswegen gefördert werden.

29. Mai 2018

Interview mit Jurymitglied Lamya Kaddor

Islamwissenschaftlerin und Jurymitglied Lamya Kaddor über ihre Motivation bei The Power of the Arts mitzuwirken und die Notwendigkeit sich gerade in den heutigen Zeiten für den Erhalt einer diversen Gesellschaft einzusetzen.

Was hat Sie dazu bewogen Teil der The Power of the Arts Jury zu werden?

Ich bin davon überzeugt, dass Integration auch in Kunst und Kultur ausgedrückt werden kann, da diese vielfältig und individuell – wie eben Kunst auch – verläuft. Aus diesem Grund habe ich die Einladung, in der Jury mitzuwirken, gern angenommen.

Wie stellen Sie sich eine zukunftsfähige Gesellschaft vor?

Die ideale Zukunftsgesellschaft kann nur funktionieren, wenn sie demokratische Werte, wie Gleichberechtigung von Mann und Frau, Meinungsfreiheit, künstlerische Freiheit und Religionsfreiheit (aus-)lebt. Zukunftsfähig sind offene und freie Gesellschaften, die durch Diversität als wichtiges Element ihres Zusammenlebens gekennzeichnet sind.

Warum müssen wir uns als Gesellschaft gerade jetzt für ein neues Wir engagieren?

Wir leben in Zeiten, in denen rechte Kräfte – sowohl gesellschaftlich wie auch politisch – erstarken und eine Homogenität propagieren, die weder real ist noch erstrebenswert sein kann.

The Power oft he Arts setzt sich für die Schaffung eines neuen Wir ein – wie stellen Sie sich dieses „Wir“ vor?

Wir leben in einer offenen, modernen Gesellschaft, die zunehmend divers wird. Gleichzeitig erstarken in dieser von Globalisierung und digitaler Revolution geprägten Gesellschaft Kräfte, die sich gegen diese (Weiter-)Entwicklung stark machen, weil sie sich davon auf unterschiedlichste Weise bedroht fühlen. Aus diesem Grund sollte Diversität ein zentraler Baustein eines „neuen Wirs“ darstellen.

Warum sind die Künste für die Schaffung von Teilhabemöglichkeiten in der Gesellschaft so wichtig?

Der Zugang zur Teilhabe bzw. die Teilhabe selbst über die Künste erfordert zunächst einmal keine Voraussetzungen außer dem künstlerischen Interesse und dem Willen, durch Kunst den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken.